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Im Idealfall würden Gays untereinander zusammenhalten, allerdings ist auch in der Community das Thema PrEP-Shaming ein ernstzunehmendes Problem. Seit 2019 haben Menschen in Deutschland die Möglichkeit, die PrEP auf Kassenrezept zu erhalten. Eigentlich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, warum Menschen bei Nutzung geshamed und gemobbt werden. Trotzdem passiert es. Mit der Einführung ist aber auch eine Art Slutshaming entstanden, die weder nachvollziehbar noch akzeptabel ist. Wir schauen uns an, warum PrEP-Shaming ein Thema ist und was den Nutzern vorgeworfen wird.
Was ist die PrEP überhaupt?
PrEP ist die Abkürzung für Prä-Expositions-Prophylaxe, was laut aidshilfe.de so viel bedeutet wie „Vorsorge vor einem möglichen HIV-Kontakt.“ Genutzt wird die Methode von Menschen mit negativem HIV-Status. Vor dem Kontakt wird ein antivirales Mittel eingenommen, um eine Übertragung von HIV zu vermeiden.
Die PrEP gilt als ebenso wirksam wie die Verwendung von Kondomen und Vermeidung von Ansteckung durch Therapie. Voraussetzung ist, dass sie richtig genutzt wird. Eine PrEP schützt vor HIV, nicht aber vor anderen potenziellen Erkrankungen.
Medizinische Funktionsweise der PrEP
Um die PrEP als Safer-Sex-Methode zu nutzen, nimmst du ein Medikament, das aus der HIV-Therapie stammt. Die Wirkstoffe Entricitabin und Tenofovir verhindern, dass sich HI-Viren in deinem Körper festsetzen und vermehren können. Sie können zwar in deine Zellen eindringen, sind dort aber nicht lebensfähig. Vorausgesetzt ist, dass die Dosierung ausreichend ist und dass du das Medikament regelmäßig nimmst.
So erhältst du die PrEP
Möchtest du mit der PrEP arbeiten, bekommst du sie seit dem 1. September 2019 auf Kassenrezept. Du musst zuvor mit einem Arzt oder einer Ärztin sprechen, die im Bereich HIV und Therapie geschult ist. Außerdem ist wichtig, dass du als Mensch mit erhöhtem HIV-Risiko giltst. Hast du als Mann Sex mit Männern, ist das automatisch der Fall.
Einnahmeschema der PrEP
Du bekommst Rezepte für drei Monate PrEP. Während dieser Zeit musst du sie nach dem dir empfohlenen Einnahmeschema anwenden. Es gibt die tägliche PrEP und eine anlassbezogene Einnahme. Bei Analsex soll es ausreichen, wenn du maximal zwei Stunden vor dem Geschlechtsakt zwei Tabletten einnimmst, um den Wirkspiegel zu erreichen. Besser ist, wenn du mehr Zeit verstreichen lässt, bis zu 24 Stunden vor dem geplanten Verkehr ist möglich. Nach dem Sex nimmst du die PrEP noch für zwei weitere Tage ein.
Und warum jetzt PrEP-Shaming?
Das alles klingt ziemlich gut, vor allem wenn du gern ohne Kondom Sex hast. STIs lassen sich mit regelmäßigen Tests auch anders umgehen. Für viele Schwule ist allein die Stigmatisierung durch andere ein Grund, die PrEP zu vermeiden.
Wie eine qualitative Studie von 2018 berichtet (in Großbritannien war die PrEP schon früher als Safer-Sex-Methode verfügbar), sind Stigmatisierung und Scham-Erfahrungen weiterhin hoch.
43 Männer ohne nachgewiesene HIV-Infektion wurden befragt. Sie nahmen die PrEP, um eine Übertragung des Virus zu vermeiden. Die befragten berichteten von verschiedenen Formen der Stigmatisierung, darunter:
- Ablehnung von Partnerpersonen
- Vorurteile bezüglich vermeintlicher Promiskuität
- Etikettierung der Anwender als „Vielficker“
Die PrEP funktioniert auffällig gut und gibt schwulen Männern die Möglichkeit, Sex ohne Kondom zu haben. Allerdings sorgt die Stigmatisierung dafür, dass die Hemmschwelle größer wird. Es geht sogar soweit, dass PrEP-Nutzern unterstellt wird, sie seien HIV-positiv oder würden Kondome einfach ablehnen. Solche sexnegativen Botschaften verunsichern und sorgen dafür, dass sich homosexuelle Männer zurückziehen oder gar die Verhütung einer Infektion mittels PrEP vermeiden.
Wie die Studie berichtet, wurde von großen Medien wie der Huffington Post zur Stigmatisierung der Personen beigetragen. „Truvada Huren“ wurden sie genannt, Aktivisten benutzten den Begriff später als Hashtag, um Slutshaming zu verbreiten.
Slutshaming gegenüber PrEP-Nutzern ist unsozial
Jemanden zu „shamen“ hat immer den Hintergrund der Abwertung. Als Slutshaming wird die soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen beschrieben, die gegen „Traditionen“ im Bereich Sexualität verstoßen. Gegenüber PrEP-Nutzern sind schwule Männer die Täter. Sie sagen den „Preppern“ nach, dass sie „herumhuren“ und sich von einem Bett ins nächste bewegen. Das kann stimmen, muss es aber nicht. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dessen, was „Shamer“ von sich geben, ist die Partnerwahl jedem Mann selbst überlassen.
Wenn du jeden Abend mit einer anderen Person ins Bett gehst, bist du genauso okay wie jemand, der einen festen Partner hat. Sexualität ist etwas, das du nach deinem Gusto lebst und genießt, solange dein Gegenüber die gleichen Interessen hat.
Slutshamer gehen davon aus, dass die PrEP das sogenannte „herumhuren“ fördert, daher schließen sie Anwender der Verhütungsmethode als potenzielle Partner auch strikt aus.
Scham vor einem Medikament durch systematisches Mobbing
Jahrzehntelang hatte die Gay-Szene einen miesen Ruf. Man sagte ihr nach, dass Erkrankungen wie HIV durch schwule Männer befördert werden. Auch jetzt, bei der Verbreitung von Affenpocken, wurden Gays erneut ins Visier genommen, weil die Ansteckung primär unter Schwulen beobachtet wurde.
Anstatt bei Vorverurteilungen und Mobbing mitzumachen, wäre es im Sinne der Gay-Community, wenn medizinische Errungenschaften wie die PrEP gefördert werden. Es handelt sich dabei weder um eine „Schlampen oder Bareback-Pille“ noch um eine Schwulendroge.
Wer die PrEP einnimmt, um eine HIV-Übertragung zu verhindern, handelt verantwortungsbewusst. Es geht dabei um Eigenschutz, im gleichen Kontext aber auch im Fremdschutz. Wer sich durch sein eigenes (sinnvolles) Verhalten nicht infiziert, gibt die Infektion auch nicht an Dritte weiter. Somit ist die PrEP nicht nur eine Schutzmaßnahme für den eigenen Körper, sondern auch für spätere Partner.
Nicht jeder PrEP-Nutzer hat ungeschützten Sex
Wer die „Pille“ nimmt, fickt ohne Gummi. Das ist ein typisches Klischee, was sich rund um die PrEP rankt. Allerdings wissen die Anwender sehr genau, dass die PrEP vor HIV schützt, nicht aber vor Hepatitis C, Chlamydien und anderen Viren. Es gibt durchaus PrEP-Nutzer, die Kondom und Pille verwenden, um sich doppelt zu schützen. Ein Kondom kann reißen und spätestens dann wäre ohnehin eine Postexpositionsprophylaxe fällig. Das entfällt, wenn der Betroffene die PrEP nutzt.
Die meisten Geschlechtskrankheiten sind akut und behandelbar. Eine einmal aktive HIV-Infektion kann zwar über Jahrzehnte stabil oder sogar nicht mehr nachweisbar sein, sie bleibt aber. Und das verhindern PrEP-Nutzer, entweder nur durch die Pille oder durch Pille und Kondom.
Fazit: Die PrEP ist keine Hurenpille
Wenn du die PrEP nimmst und deswegen bereits verurteilt wurdest, sagt das mehr über dein Gegenüber als über dich. Funfact: Positiv ist die Aussage nicht!
Der Begriff „Hurenpille“ zeigt einmal mehr die Achtlosigkeit, mit der Menschen Worte verwenden. Selbst wenn diese Pille von männlichen Prostituierten genutzt würde, wäre das ein Zeichen von Verantwortung und nicht zu verurteilen. „Hure“ ist in keinem Kontext eine würdige Beleidigung, denn Sexworker haben einen harten Job, über den viele Freier verdammt froh sind.
Sich zu schützen kann nie falsch sein, egal ob du lieber der Typ für Gummis allein bist oder ob du die PrEP nutzt. Es bleibt zu wünschen, dass das Thema PrEP stärker thematisiert wird und Männern mit positiven Kampagnen Mut zur Einnahme gemacht wird. Und falls du beim nächsten Besuch auf Grindr wieder an ein männliches Exemplar gerätst, dass dich aufgrund der PrEP-Einnahme shamen möchte, sei dankbar dafür. Charakterschwäche, die sich frühzeitig zeigt, schützt dich vor unnötigen Dates.
