Erfahrungen queerer Menschen in Schule und Ausbildung

Erfahrungen queerer Menschen in Schule und Ausbildung Symbolbild: Zwei männliche Teenager sowie zwei weibliche sitzen auf einer Bank und halten die Regenbogen-Flagge auf den Beinen. Die beiden Jungs machen ein Selfie. Die Mädchen schauen gemeinsam in ein Handy. . Experiences of queer people in school and education Symbolic image: Two male teenagers and two female teenagers are sitting on a bench holding a rainbow flag between them. The two boys are taking a selfie. The girls are looking at a cell phone together.
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Die Erfahrungen queerer Menschen in Schule und Ausbildung zeigen, dass Mobbing ein strukturelles Problem ist. Es betrifft zwar nicht nur, aber insbesondere queere Personen, denn sexuelle Vielfalt scheint in den Klassenzimmer noch lange nicht angekommen zu sein. Auch in der Ausbildung setzt sich das Muster fort. An Berufsschulen, aber auch in Betrieben selbst ist Diskriminierung durch Arbeitskollegen nach wie vor an der Tagesordnung. Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? Was erleben junge Menschen in Schule und Ausbildung und wie kannst du dich gegen Mobbing wehren?

Erfahrungen aus dem Leben: Was queere Schüler berichten

Wie hna.de berichtet, leiden queere Schüler auch heute noch unter Mobbing, Diskriminierung und Ausgrenzung. Zwei Schüler der Gesamtschule Fuldatal meldeten sich zu Wort und berichteten gegenüber des Magazins von ihren Erlebnissen. Der 15-jährige Niko ist transgender und bisexuell, die 16-jährige Stacey bisexuell.

Beide erzählten im Interview mit hna.de von ihren Erfahrungen. Niko beispielsweise berichtete von seinen Problemen bei der Toilettennutzung. Für ihn ist normalerweise die Jungentoilette angenehm, an seiner Schule war die Nutzung jedoch nicht möglich. Grund hierfür war, dass sich die anderen Jungs durch seine Anwesenheit unwohl fühlen konnten. Niko berichtet, dass die vorhandene Unisex-Toilette nur mit Hürden zu nutzen sei. Er müsse sich hierfür einen separaten Schlüssel holen. Aus pragmatischen Gründen ist es für den jungen Transgender dann einfacher, die Mädchentoilette zu nutzen, obwohl er sich hier nicht richtig fühlt.

Ähnliche Probleme erlebte er auch beim Umkleiden vor dem Sportunterricht. Er selbst fühle sich bei den Mädchen seiner Klasse nicht wohl, die Jungsumkleide bleibt ihm jedoch verwehrt. Das führte für ihn dazu, dass er sich auf der Toilette umkleidete, um sich wohler zu fühlen. Eine Situation, die Jungs wie Niko in ihrer Lebensführung beeinträchtigt.

Stacey berichtete davon, dass sie als neue Schülerin an der Schule physisch und verbal gemobbt wurde. Ihre Mitschülerinnen hatten laut eigener Aussage Angst davor, dass sie auf sie stehe. Die bisexuelle Schülerin „steht“ auf beide Geschlechter, was als Anlass für diese Ängste genommen wurde.

Schule gründet LGBTQ-AG für queere Mitschüler

An der Gesamtschule Fuldatal wurde eine LGBTQ-AG ins Leben gerufen, um den Schulalltag für queere Kinder und Jugendliche leichter zu machen. Niko ist nicht überzeugt, dass diese AG zu wirklichen Verbesserungen führt. Laut ihm gibt es Menschen, die ihn akzeptieren und jene, die es nicht tun. Stacey hingegen glaubt, dass die Diskriminierung im Allgemeinen zurückgegangen ist. Woran das genau liegt, kann sie aber nicht benennen. Sie spricht von mehr Reife ihres Jahrgangs und davon, dass sich manche Schüler mit negativen Kommentaren ihren Freunden anschließen, aber eigentlich nicht queerfeindlich sind.

Tipps zur Verbesserung der Situation queerer junger Menschen haben die beiden auch. Stacey empfiehlt mehr Aufklärungsunterricht und hat auch gleich einen Tipp parat. Eine Projektwoche rund um das Thema LGBTQ kann sie sich gut vorstellen. Dabei könnten auch Themen wie Mobbing zur Sprache kommen. Niko stimmt zu und wirft ein, dass dieses Thema auch in den Sexualkundeunterricht gehöre. Queere Menschen dürfen und sollten auch im Schulbuch gezeigt werden.

Ausbildung und Arbeitsplatz werden zur Herausforderung von queeren Menschen

Selbst wenn die Schulzeit (endlich) vorbei ist, hört Mobbing oft nicht auf. In der Ausbildung oder auch im späteren Berufsleben haben es queere Menschen oft weiterhin schwer. Die Probleme reichen von Diskriminierung und Ausgrenzung bis hin zu Mobbing.

Betroffene haben Angst ihre Identität offen zu zeigen, verheimlichen ihre Sexualität, die Partnerschaft, ihre Persönlichkeit. Sie haben oft das Gefühl, dass sie nur so sicher am Arbeitsplatz bleiben können. Berufliche Entwicklung, Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden leiden unter solchen Situationen stark.

Es gibt Studien zur Häufigkeit des Outings queerer Menschen am Arbeitsplatz, die klar zeigen, dass noch Bedarf an mehr Aufklärung besteht.

So ergaben sich unter anderem folgende Zahlen:

  • Jedes dritte Mitglied der LGBTQI*-Community ist gegenüber der Kollegen nicht geoutet, 40 % gegenüber dem Arbeitgeber.
  • In der Kunst-, Unterhaltungs- und Erholungsbranche und im Dienstleistungsbereich sind rund 76,9 % der Menschen geoutet. Im Bergbau, Energie- und Wasserversorgung und auf dem Bau sind es nur 57,3 %.
  • In einer Online-Befragung von 2020 gaben 14 % der schwulen und 45 % der bisexuellen Männer an, dass sie nicht geoutet sind. 31 % der Trans*Personen gaben an, ungeoutet zu sein, bei den Inter*Personen waren es 40 %.

Auch zu den Gründen gibt es Angaben, die die Bedeutung von mehr Aufklärung hervorheben.

Bei den Nicht-geouteten Mitgliedern der LGBTQI*-Community werden folgende Gründe für die Zurückhaltung angegeben:

  • 53 % trennen Privatleben und Arbeit. Sie outet sich nicht, weil ihre sexuelle Orientierung niemanden anderen angeht.
  • 42 % haben bislang keinen Anlass dazu gesehen, über das Thema zu sprechen.
  • 38 % haben Angst davor, auf ihre sexuelle Identität oder das Sexualleben reduziert zu werden.
  • 27 % fürchten sich, dass sich das Arbeitsklima nach dem Outing ändern könnte.
  • 24 % sind im privaten Rahmen nicht geoutet, daher auch im beruflichen Umfeld zurückhaltend.
  • 10 % sind sich ihrer Geschlechts- und Sexualidentität nicht sicher.
  • 6 % haben bereits schlechte Erfahrungen in anderen beruflichen Situationen gemacht.

Angst dürfte beim Outing am Arbeitsplatz, aber auch in der Schule und der Ausbildung eine große Rolle spielen. Deutschland zeigt sich im Ländervergleich rückständig bezüglich der Coming-Outs am Arbeitsplatz. Bei deutschen Umfrageteilnehmern im Internet gaben nur 37 % an, dass sie ihre Sexualität und Identität vor den Arbeitskollegen angaben.

In Brasilien, Kanada und Großbritannien sind es mit 60 %, 55 % und 63 % deutlich mehr. Immerhin gaben die Deutschen mit 85 % an, dass sie sich theoretisch outen würden, wobei 22 % ein Karriererisiko sehen.

Wie geht man mit solchen Problemen in Schule und Beruf um?

Viele queere Menschen sind über das Internet miteinander vernetzt, stehen im Berufsleben aber oft alleine da. Je konservativer der Arbeitgeber, desto problematischer sind Themen wie Outing, Akzeptanz und Diskriminierung.

Wer sich selbst akzeptiert, wird weniger Probleme mit dem Coming Out haben, ist vor Mobbing aber trotzdem nicht geschützt. Selbst die stärkste Persönlichkeit leidet irgendwann darunter, wenn sie aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und Sexualität ausgegrenzt und unfair behandelt wird.

Bist du selbst betroffen, findest du in Deutschland viele verschiedene Beratungsstellen für queere Personen. Mobbing ist niemals okay, egal welche Person du liebst, mit dem du eine Beziehung führst und welche Geschlechtsidentität zu hast. Es ist auch nicht akzeptabel, dass du einen Job oder eine Beförderung nicht bekommst, weil du queer bist.

Suche dir Hilfe, wenn du gemobbt wirst oder mitbekommst, dass es jemandem aus deinem Umfeld so gehst. Auch Arbeitgeber und Kollegen haben nicht das Recht, einen Menschen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu diskriminieren. Der Betriebsrat ist ein guter Ansprechpartner, wenn es diesen in deinem Betrieb nicht gibt, nimm die Hilfe einer Beratungsstelle in Anspruch. Vergiss nie, dass du nicht allein bist. Die Anerkennung unserer queeren Community wird größer und auch wenn es leider noch sehr viel Diskriminierung und Mobbing gibt, wächst gleichzeitig die Unterstützung. Sprich mit Menschen, wenn du Hilfe brauchst und schäme dich nicht für das was du bist und wie du lebst.

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