Objektifizierungsspiele – Leidenschaft für Lust, Macht und Identität

Objektifizierungsspiele Symbolbild: Ein Mann mit nacktem Oberkörper liegt auf dem Bett und öffnet mit lüsternem Blick seine Hose. . Objectification games Symbolic image: A man with a naked upper body lies on the bed and opens his pants with a lustful look.
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Der Begriff Objektifizierung klingt im ersten Moment ziemlich negativ. Wenn du ihn hörst, denkst du wahrscheinlich an Entmenschlichung, Erniedrigung oder sogar Gewalt. Aber in der schwulen BDSM-Szene ist Objektifizierung oft genau das Gegenteil. Sie ist ein ganz bewusst gespielter Kontrollverlust, ein erotisches Game mit Rollen, Identitäten und Verfügbarkeit. Falls du mehr wissen möchtest, lies einfach weiter, wir geben dir die wichtigsten Infos.

Was sind Objektifizierungsspiele genau?

Objektifizierungsspiele bedeuten, dass du freiwillig und in Absprache mit deinem Partners in die Rolle eines Objekts schlüpft. Das kann ein Möbelstück, Sextoy, Haustier oder Ware sein. Dabei geht es nicht um den realen Verlust deiner Menschenwürde, sondern um euren Lustgewinn durch die Rollenverschiebung. Hier wird Objektifizierung zu einer extrem starken Form des Machttransfers, die für euch beide, also für Dom wie Sub, ziemlich befriedigend sein kann.

Warum gerade in der schwulen BDSM-Szene?

Die Objektifizierung hat in der schwulen Fetisch- und BDSM-Kultur eine lange Tradition. Denk nur an den Ledertyp, der sich als menschlicher Fußhocker anbietet, an das Petplay mit Pups und Handlers, oder an Fisting-Sessions, bei denen der Bottom vollständig zur „öffentlichen Öffnung“ wird. Das alles sind Formen von Objektifizierung, manche sind subtil, andere darf man als durchaus radikal bezeichnen.

Warum ist diese Spielart aber gerade unter schwulen Männern so beliebt? Vielleicht, weil sie mit Geschlechterrollen anders umgehen. In der Szene gibt die engen Grenzen des klassischen heteronormativen Machtgefälles nicht. Deshalb ist viel mehr Raum für den kreativen Umgang mit Rollenbildern, für eine bewusstere Hingabe und für wortlose Kommunikation. Tatsächlich sehen viele schwule Männer in der Objektifizierung eine Möglichkeit, mit Scham, Kontrolle, Lust und Selbstbild zu spielen, ohne die gesellschaftliche Moralkeule fürchten zu müssen.

Die verschiedenen Formen der Objektifizierung

Objektifizierung ist ein breit gefächrtes Speilfeld, das von zart bis hart und von stilvoll bis brutal reicht. Ein kleiner Überblick zu einigen Spielarten, die in der Szene besonders beliebt sind, kann dir helfen, die für dich richtige Form zu finden.

a) Human Furniture (Möbelstück sein)

Als Human Furniture” wirst du als Sub zum Hocker, Tisch, Lampenständer oder Teppich. Anhänger dieser Form der Objektifizierung sehen sie als etwas Ästhetisches, fast schon Kunstvolles. Ein besonderer Reiz liegt für viele in der vollständigen Immobilität. Du dienst nur noch einem Zweck.

b) Sexobjekt (reine Funktion ohne Ich)

Hier wirst du zum Masturbationsobjekt, zur Fickpuppe oder zum Glory Hole. Dein Körper ist verfügbar, aber nicht ansprechbar. Du hast keine Meinung und zeigst keinerlei Initiative. Du bist nur noch Haut, Loch und Lust. Dieses Szenario kann zutiefst erregend sein, allerdings nur, wenn klare Grenzen vereinbart wurden.

c) Petplay & Animal Roleplay

Ob als Puppy, Pony oder Schweinchen, im Petplay geht es um das temporäre Aufgeben der menschlichen Identität. Du wirst zum Dressur-Objekt, zum Ziel für Belohnung und Disziplinierung. Viele Pups erleben das als sehr befreiend und lieben es, nicht zu denken, sondern nur noch zu fühlen.

d) Obedience Training (Gehorsam ohne Diskussion)

Hier steht die mentale Objektifizierung im Vordergrund. Du funktionierst, gehorchst, wirst benutzt. Auch hier geht es darum, dass du nicht mehr selbst denkst, weil dein Sir dein Innenleben vollständig übernommen hat.

e) Object Auction oder Slave Market (als Ware verkauft werden)

bei vielen BDSM-Partys oder in Playrooms wird mit der Idee gespielt, dass ein Sub zur Ware wird. Er wird „ausgestellt“, „verkauft“ und „gesteigert“. Das ist natürlich alles nur inszeniert und mit Safe Words abgesichert. Der Reiz besteht in der völligen Preisgabe und manchmal auch in der voyeuristischen Demütigung.

Reiz und Risiko – Warum Objektifizierung so intensiv wirkt

Du solltest nicht davon ausgehen, dass Objektifizierung ein Kuschelkurs ist. Wenn du dich darauf einlässt, bewegst du dich in einer Welt, in der dein Körper verfügbar wird und dein „Ich“ zumindest temporär zweitrangig ist. Genau das macht Objektifizierung so intensiv. Es ist ein zutiefst psychologisches Spiel.

Wer objektifiziert wird, beschreibt dies oft als einen Zustand, der zwischen Trance, Lust und Kontrollverlust schwankt. Manche bezeichnen es als „Subspace“, andere als „reine Hingabe“. Aber sei vorsichtig, denn genau das kann dich traumatisieren, wenn die Erfahrung nicht sauber vorbereitet, kommuniziert und abgesichert wurde.

Deshalb gilt, dass Objektifizierung nur funktioniert, wenn ihre Fundamente ein hohes Maß an Vertrauen, klare Absprachen und Nachsorge (Aftercare) sind. Das gilt umso mehr, wenn die Spiele tief in deine Identität eingreifen.

In der schwulen BDSM-Community hat sich der Grundsatz RACK (Risk Aware Consensual Kink) etabliert, was so viel bedeutet wie einvernehmlicher, aber risikobewusster Kink. Das ist bei Objektifizierungsspielen essenziell.

Worauf solltest du besonders achten? Vor allem solltest du vorher klären, was erlaubt ist und  wo deine Tabus liegen. Außerdem ist es sinnvoll zu wissen, ob es Reizworte, Rollenwünsche oder Grenzen gibt. Auch die Vereinbarung eines Safe Word ist ein Muss. Viele nutzen dazu das sogenannte „Red-Yellow-Green“-System. Dieses ist besonders hilfreich, wenn ihr nonverbal spielt.

Als festen Bestandteil solltet ihr immer auch Aftercare einplanen. Die Objektifizierung kann entmenschlichend wirken. Umso wichtiger ist es, danach wieder eine emotionale Verbindung herzustellen. Grundsätzlich gilt, dass du mit der Objektifizierung nicht über Nacht starten solltest. Gerade wenn du neu in dieser Szene bist, taste dich langsam heran. Denk immer dran: Fantasien sind oft härter als das reale Erleben.

Objektifizierung als Teil der eigenen Identität

Viele schwule Männer entdecken durch Objektifizierung eine ganz neue Seite ihrer Sexualität. Manche erleben dabei zum ersten Mal, dass sie endlich nicht leisten, denken oder performen müssen. Für sie ist es maximal erotisch, nur zu funktionieren und nur benutzt zu werden. Paradoxerweise empfinden viele genau das als zutiefst menschlich, vermutlich, weil es so pur ist.

Ein anderer Aspekt ist das Spiel mit gesellschaftlicher Macht. In einer Welt, in der viele schwule Männer ständig performen müssen (egal, ob im Job, in der Partnerschaft bzw. Familie oder auf Grindr) wird das Objektsein zu einer Form von Selbstermächtigung. „Ich entscheide, wann ich mich verfügbar mache.“

Natürlich kann auch das Gegenteil passieren. Manche finden durch das Spiel als „Ding“ einen völlig neuen Selbstwert. Nicht, weil sie nichts sind, sondern weil sie in der Hingabe ganz bei sich sind. Klingt für dich paradox? Willkommen in der Welt von Kink.

Objektifizierung online erleben – Virtuelle Rollen, reale Wirkung

Inzwischen findet ein Großteil der Objektifizierung online statt. Auf Plattformen wie Recon, PlanetRomeo oder in Telegram-Gruppen verabreden sich Spieler zu Rollenspielen, die manchmal nur über Text laufen, oder auch mit Voice, Cam und Remote-Toys.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Du hast die von vielen gewünschte Anonymität. Außerdem besteht größtmögliche Safety durch die Distanz und du kannst dich ausprobieren, ohne dich zu outen. Aber auch hier gilt, dass auch virtuelle Objektifizierung großen Einfluss auf dein Selbstbild, deine Psyche und deine Beziehungen haben kann. Deshalb handle immer bewusst,  auch in der virtuellen Welt.

Fazit: Objektifizierung ist kein Trend, sondern eine tiefgehende Praxis

Objektifizierung in der schwulen BDSM-Szene ist mehr als nur eine Spielart. Für viele ist sie ein Lebensgefühl, eine spirituelle Erfahrung oder eine erotische Heimat. Wenn du dich darauf einlässt, brauchst du Mut, Vertrauen und Reflexion. Aber du kannst auch Seiten an dir entdecken, die in der „normalen“ Welt keinen Raum finden. Wenn du also mit dem Gedanken spielst, dich zum Objekt zu machen, tu es bewusst und tu es sicher. Und vor allem, tu es nur, weil du es willst. Dann kannst du ganz neue Seiten an dir kennenlernen und mit der Objektifizierung jede Menge Spaß haben.

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